Interview mit Bauchredner Werner
Wer kennt sich besser aus mit Märchen als ein Märchenerzähler? Bauchredner Werner führt auf liebevolle und moderne Weise die uralte Erzähltradition fort. Dabei interpretieren und diskutieren er und seine drei Puppenfreunde den Inhalt kindgerecht und treten in Dialog mit ihren kleinen Zuhörern.
Lieber Bauchredner Werner, ich möchte heute mit dir über Märchen reden. Hast du in deiner Kindheit Märchen gelesen? Und was sind deine Erinnerungen daran?
Ich kann mich eigentlich nicht daran erinnern, dass ich mich als Kind speziell hingesetzt und Märchen gelesen habe. Ich kann mich aber daran erinnern, dass mir meine Mutter Geschichten und Märchen vorgelesen hat. Als Kind war das wohl alles gleich für mich. Ich habe nicht unterschieden, ob mir nun ein Märchen vorgelesen wurde oder einfach irgendeine Geschichte. Meine Mutter hat manchmal Erzählvarianten erfunden, was mir nicht immer gefiel, da ich keine Abweichungen einer mir bereits bekannten Geschichte hören wollte. Ich kann mich auch daran erinnern, dass meine Mutter bildhaft vorlas und mit ihrer Stimme variierte und spielte.
Wenn ich Kindern vorlese, dann versuche ich auch bildhaft mit der Stimme zu variieren und zu spielen. Allerdings übertreibe ich es dabei nicht. Ich mag es nicht, wenn Erwachsene anfangen, wie sie es wohl meinen, dass es besonders kindhaft und kindgerecht sei, wie „ein Kind“ zu lesen. Das können die Kinder besser.
Findest du die Volksmärchen heute noch zeitgemäß?
Alle Märchen und Geschichten, die mit Zwischenmenschlichkeit zu tun haben, bleiben meiner Meinung nach immer zeitgemäß. Natürlich haben wir einen Wandel in der Gesellschaft, aber die Gefühle der Menschen wie: Ängste, Nöte, Sorgen, Trauer, Glück, Eifersucht, Neid, Einsamkeit, Freude, Hoffnung, Glaube… sind doch immer aktuell im Menschen und gehören zum Menschsein.
„Hänsel und Gretel“
Eine 25-minütige bauchrednerische Vorlesedarstellung
Bauchredner Werner liest dem Vogel Karl-Friedrich und der Katze Tommy das Märchen „Hänsel und Gretel“ vor. Dabei wird er immer wieder unterbrochen. Karl-Friedrich und Tommy haben viele Fragen, Diskussionsbedarf und wollen unbedingt ihre eigenen Erfahrungen einbringen.
Viele Mütter finden Märchen brutal und verstörend. Du spielst in deinem aktuellen Kinderprogramm unter anderem „Hänsel und Gretel“. Was fasziniert dich an der Geschichte?
Vorweg, ich könnte ohne meine Freunde und Hauptakteure meines Kinderprogramms, nämlich Karl-Friedrich und Florian und Tommy nichts für Kinder spielen.
Ich hatte zu Anfangs der Erfindung „Bauchredner Werner“ mit Karl-Friedrich überlegt, was wir Kindern vorspielen könnten und so entstand unsere Kindershow. Dann kam Florian dazu und wir veränderten die Kindershow auf uns drei. Dann freundeten sich Karl-Friedrich und Florian mit Tommy an, der dann zu uns zog. Tommy wollte auch an unserem Kinderprogramm teilnehmen und so setzen wir uns zusammen und suchten nach einer Möglichkeit, dass Karl-Friedrich mit Tommy zusammen etwas vorspielen könnte. Dann entstand die Idee mit dem Märchen „Hänsel und Gretel“, da wir nach einem Märchen suchten, wo eben beide zusammen und ich ins spielen kommen. Wir nahmen „Hänsel und Gretel“, weil wir es interessant fanden, dass sowohl ein Junge als auch ein Mädchen im Märchen vorkamen. Nach der Idee mit dem Märchen „Hänsel und Gretel“ kamen Karl-Friedrich und Florian auf die Idee mit der Haifischgeschichte, die sie im Grunde selbst erlebt hatten.
„Die Geschichte vom Haifischzahn“
Eine 20-minütige bauchrednerische Erzählung
In dieser Geschichte erzählen Bauchredner Werner und die beiden Vögel Florian und Karl-Friedrich, wie es dazu kam, dass Florian einen Haifischzahn als Kette trägt. Mit im Gepäck sind eine Kokosnuss, ein Stück Landkarte, ein Kompass und natürlich der Haifischzahn.
Das Märchen „Hänsel und Gretel“ finden wir sehr zeitgemäß, wenn wir bedenken, dass heutzutage Flüchtlingskinder von ihren Eltern aus Überlebensnot, auf die Reise ins Fremde und Ungewisse verlassen werden, damit sie eine Chance haben, dem Tod im eigenen Land entgehen zu können.
Wir haben das Ende des Märchens „Hänsel und Gretel“ modifiziert und an die heutige Zeit angepasst. Wir wollten, dass auch die Stiefmutter weiterhin glücklicher Teil der Familie von Hänsel und Gretel bleibt, da viele Kinder nicht mehr nur bei ihren leiblichen Eltern leben, sondern die neuen Partner der Elternteile gleichermaßen die Familie ausmachen. Wir empfanden es als unfair, dass gerade die Stiefmutter ein böses Familienmitglied sein sollte. Das war uns zu einfach und von einer vielleicht früheren gesellschaftlichen Einstellung nicht mehr zeitgemäß.
Wir glauben nicht, dass die Kinder vor Volksmärchen geschützt werden müssten, weil sie brutal und verstörend sind. Die Eltern können ja auswählen, was sie ihren Kindern vorlesen möchten und die Eltern können mit ihren Kindern über das gelesene auch sprechen und einen Bezug zur heutigen Zeit herstellen.
Wir wollen auf keinen Fall Ängste bei den Kindern schüren durch unsere Vorstellung des Märchens „Hänsel und Gretel“. Darauf achten wir sehr. Es wäre aber möglich, dies so zu beeinflussen. Zum Glück wollen wir aber immer Freude und Begeisterung bei den Kindern wecken.
Welche Reaktionen beobachtest du bei deinen kleinen Zuhörer? Und welches Feedback bekommst du von ihren Eltern?
Wir glauben, dass Kinder schon immer gerne Geschichten zugehört haben und Kindern der Rahmen, den das Vorlesen oder Erzählen einer Geschichte normalerweise immer hat, d.h. ein Erlebnis von Mensch zu Mensch, grundsätzlich gut tut.
Wir sehen Freude und Begeisterung und Spannung bei den Kindern. Die Kinder sind mit Beobachten und Verstehen beschäftigt und dürfen sich auch mitteilen. Wir sind froh, wenn sich die Kinder mitteilen.
Es entstehen in der Regel keine Gespräche mit den Eltern. Ich denke, die Eltern freuen sich, wenn es ihren Kindern gefallen hat und es ihnen gut geht. Nach der Vorführung beobachte ich, dass es für die Eltern einfach wieder mit ihrem „Elternprogramm“ weitergeht und sie von ihren Kindern angetrieben werden. The Show must go on…
Danke. Verrätst du uns noch, wo man dich findet?
Einfach googeln mit „Bauchredner Werner Kinderprogramm“ oder http://www.goliusgenolius.de.
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