Mein Name ist Tina Stimm-Koch. Ab heute führe ich ein Blog.
Bevor ich richtig beginne, sollte ich vielleicht erst einmal erklären, warum ich aus dem Running-Gag doch noch Realität mache. Oder warum ich mir diesen leicht bescheuerten Alias verpasst habe. Oder was der Name des Blogs bedeutet.
MENGENLEHRE
Sabine präsentiert beim gemeinsamen Konzertbesuch ihr Bäuchlein. Die Nummer Drei. Ich will auch.
Hat man sich ohnehin gegen das Einzelkind entschieden, macht ein drittes oder weiteres Kind keinen so großen Unterschied mehr – abgesehen vom linear wachsenden Wäscheberg. Das erste Kind bekommt die exklusive Aufmerksamkeit. Alle anderen müssen teilen, bekommen aber auch Aufmerksamkeit und Anregung von ihren Geschwistern.
Restlos ist Sabine nicht überzeugt: „Schreib doch einen Erziehungsratgeber!“. Gerne. Mir fehlt aber die Autorität auf diesem Gebiet. Psychologie studieren? Eher nicht. Also bleibt mir nur das Mama-Blog.
HIRNZELLENAKROBATIK
Braucht die Welt noch ein Blog? Definitiv nicht! Brauche ich ein Blog? Ja!
Das Mama-Blog bleibt aber besser weiterhin ein Running-Gag. Schon zwei Kinder sind so unterschiedlich, dass die beim ersten Kind gewonnenen Erkenntnisse zur Erziehung und Ernährung auf das zweite nicht so recht passen. Und schöne und lustige Blogs mit schönen und lustigen Dingen aus dem Familienalltag gibt es schon zu Genüge.
Mutter sein ist sehr ausfüllend, aber nicht immer erfüllend. Wenn man auf einmal Zeit hat es zu merken, merkt man es auf einmal. Neulich habe ich statt ausreichend zu schlafen – kommt mit kleinen Kindern ohnehin eher selten vor – ein paar sehr interessante Bücher gelesen. Und ich bin unverhofft einem inspirierenden Menschen begegnet. Fazit: Man lässt sich ganz schön vereinnahnen vom Muttersein.
Also den Fokus wieder weiten. Sich darauf besinnen, dass man nie nur Mutter ist, sondern auch Buchleserin, Schriftstellerin, Philosophin, Künstlerin, Sportlerin, Köchin, Bastlerin, Entdeckerin und alles was man sonst noch sein möchte. Deshalb wird dies ein literarisch-philosophisches Blog und ein Nachdenken über Stereotypen. Natürlich auch für Mütter.
TRANSIDENTITÄT
Neulich hörte ich die folgende These: „Nach einer Geschlechtsumwandlung hat es eine Frau, die ehemals ein Mann war, deutlich schwerer als ein Mann, der sich in eine Frau umwandeln lies. Grund dafür sind die Stereotypen, mit denen Frauen konfrontiert sind und die man als Mann nicht gewohnt ist.“
Wow! Dann bin ich ja geradezu prädestinierte Expertin für Stereotypen. Ich war schließlich schon immer eine Frau. Außerdem bin ich Mutter und habe einen Job in der IT.
ALIAS
Beim Durchblättern einer kostenlos in Apotheken ausliegenden Zeitschrift fällt mir auf, dass ich den Kolumnist gelegentlich auf dem Spielplatz treffe. Da werde ich natürlich neugierig. Ah, ja. Die Wohnung hat nur ein Bad… Vater und älteste Tochter lesen gerne auf dem Klo… Ich beobachte, wie das Mädchen dem Ball hinterher jagt, und beschließe: falls ich mal das Bedürfnis habe, mir laut darüber Gedanken zu machen, warum sich manche Menschen nicht eine gemütlichere Sitzgelegenheit zum Lesen suchen, sollen meine Kinder nicht mit philosophischen Klo-Gedanken auf dem Spielplatz betrachtet werden.
GEBURT
Spätsommer. Eine Gruppe Jugendlicher in einer Hütte im Wald. Draußen ist es bereits dunkel. Vorsichtig nippen sie ein wenig Genever. Schätzfrage: „Wem von euch traut ihr zu später einmal einen Roman zu schreiben?“ Beide Gruppen tuscheln. Schreiben ihre Antwort auf einen Zettel. Übereinstimmung!
Ich?!? Wieso denn ich? Diskussionen über das Pseudonym. Im Morgengrauen endlich: TINA STIMM-KOCH ist geboren.
FANTASIE
Gernus und Merund sind die Fantasiefreunde meines Sohnes. Wobei sie eher entfernten Verwandten gleichen. Gelegentlich wird mal telefoniert. Mal sind sie Fische und mal Pferde. Mal sind sie jung und mal alt. Mal wohnen sie in Breitscheid und mal auf Mallorca.
Und was eignet sich besser als ein poetischer fantasievoller Name für ein philosophisch-literarisches Blog?
Natürlich möchte ich auch ein wenig über Fantasiefreunde nachdenken. Sie bieten dem Kind eine wunderbare Möglichkeit Erlebtes zu reflektieren und über sich und andere nachzudenken. Das praktischste daran: sie sind immer da. Und wenn es erwachsen wird, verschwinden sie wieder. Oder doch nicht ganz? Was ist mit dem etwas langweiligeren Artverwandten, dem Selbstgespräch?
FREQUENZ
Erst einmal Google fragen, was ich als Neu-Bloggerin beachten muss. Ob sie Tipps für mich hat. Ich staune. Man hat sie aufs Kreuz gelegt!
Die besten Treffer verweisen tatsächlich auf: Blog-Einträge! Und dann: Bitte festhalten! Das Karussell fährt los. Viele der bestplatzierten Treffer glänzen nicht gerade durch besonders guten Inhalt. Vielmehr schleicht sich der Verdacht ein, dass die Autoren ihre eigenen Tipps befolgt haben und wahre Experten der Suchmaschinen-Optimierung (SEO) sind.
Ich bekomme immer wieder versichert, dass gute Inhalte das Wichtigste sind, werde den Verdacht aber nicht los, dass den Autoren Klicks und der Traum vom Geldverdienen wichtiger sind. So bekomme ich auch gleich Tipps, wie ich möglichst schnell und mit möglichst wenig Aufwand einen Beitrag generiere. Denn ich soll unbedingt zwei oder noch besser drei Beiträge pro Woche heraushauen.
Und so gelange ich über „20 wichtigste Tipps für Blog-Anfänger“ zu „15 Tipps für Blogger mit wenig Zeit“ und von dort zu „15 Tipps für effektives Bloggen“. Bei „5 Tipps für mehr Blog-Artikel“ gebe ich auf. Habe ich alles schon gelesen. Und von dem ganzen selbstreferenzierenden sich im Kreis drehen schwirrt mir der Kopf.
Das war definitiv lehrreich. Wenn mich jemand drei mal die Woche mit inhaltsarmen Artikeln oder Artikeln mit bereits bekannten Inhalten bombardieren würde, wäre ich ganz schnell genervt. Mir geht es um die Freude am Nachdenken und um den Wunsch nach Gedankenaustausch. Da werden definitiv keine zwei drei Artikel pro Woche bei heraus kommen. Ich möchte nur etwas schreiben, wenn ich etwas zu sagen habe und ausreichend darüber nachgedacht habe.
Auch feile ich gerne etwas länger an meinen Formulierungen. Dem Tipp kurze und prägnante Absätze zu schreiben schließe ich mich gerne an. Aber die Unsitte des Zerfledderns von Texten in einzelne Sätze treibt mich auf die Palme. Ein Satz ist ein Satz und kein Absatz!
KOPFNOTE
Ein Buch. „Zur Welt kommen“ von Svenja Faßpöhler und Florian Werner. Kurze Artikel. Die Überschriften regen mich auf! Stichworte, hinter denen sich vielen verbergen kann. Was versprechen sie? Dass ich selbst denken soll? Ich bin schon gespannt, wie du sie findest!